Freitag, 13. Mai 2016

Wochenrückblick KW19 - der Schulterblick nach Rechts

Am 13. Mai 2016 wehte über einem Dampfer der Dresdner Elbschifffahrt die Wirmerflagge. Laut Elbschifffahrtsgesellschaft wurde sie von etwa 10 fahgästen mit "deutsch-nationaler" Gesinnung gehisst. Die Flagge wird oft von PEGIDA-Teilnehmern getragen und steht seit 2010 als Symbol für eine nationalistische Politik, die das demokratische politische System der Bundesrepublik Deutschland ablehnt. Dabei wenden sich die Nutzer auch gegen eine angebliche Fremdherrschaft durch "das Ausland". Ursprünglich entworfen wurde sie vom Kreis der Verschwörer des 20. Juli 1944 als Ersatz für die Hakenkreuzflagge. (Bildrechte bei @alpinews)


In den Wochenrückblicken wird von jetzt an regelmäßig über Entwicklungen und Ereignisse in Sachsen berichtet. So soll jenseits von Tagesaktualität und diesseits von statistischer Auswertung eine Art Inventur möglich werden. Diesmal mit jeder Menge Gerichtsurteilen, einem Rückblick auf PEGIDA am Montag und die Wellen, die es schlug und ein bisschen was über Bürgerdialog und Zivilgesellschaft.



PEGIDA und Gegendemos am Montag, den 09.05.2016


Die große Nachricht am Montag war der Beitrag des AfD-Politikers Hans-Thomas Tillschneider. Nicht nur war es die erste Beteiligung eines AfD-Mandatsträgers auf der Bühne, der Abgeordnete des sachsen-anhaltinischen Landtags forderte zudem das Bundesverdienstkreuz für Lutz Bachmann. Provokant wurde diese Forderung insbesondere dadurch, dass der PEGIDA-Wortführer Bachmann kurz zuvor erstinstanzlich wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Der Auftritt Tillschneiders wurde dann auch innerhalb der AfD heftig diskutiert.

Aber Hans-Thomas Tillschneider ist nicht nur AfD-Mitglied, er ist auch der Bundesvorstand der Patriotischen Plattform. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von AfD-Mitgliedern, der getrost "ultra-rechts" genannt werden kann. Die Plattform bildet eine Art Think Tank, der das Abdriften der AfD in den völkischen Rechtsextremismus ideologisch vorbereitet und begleitet. 

Aktuell mischt die Patriotische Plattform in der Debatte um den Ausschluss des rechtsextremismusverdächtigen Landesverbandes Saarland und in der Programmdebatte der Bundes-AfD mit. 

Dabei fordert sie die Wiedereinführung der D-Mark, die Aberkennung des Status als Religionsgemeinschaft für muslimische Verbände, das Verbot von Minaretten, die Beschränkung der deutschen Staatsbürgerschaft auf Menschen, deren Vorfahren im deutschen Reich lebten, die vollständige (!) Schließung der EU-Außengrenzen nebst Einrichtung von Lagern (!) für flüchtende Menschen, außerdem das Ende der Energiewende. Co2 sei schließlich kein Schadstoff. Sie unterstützt und verbreitet mit aller Vehemenz die Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

PEGIDA selbst hat sich seit einigen Monaten bei etwa 2.500 bis 3.000 Teilnehmern eingependelt. Tatjana Festerling trat wieder nicht auf. Nach Informationen der Bildzeitung, gab es ein Zerwürfnis im Orgateam zwischen Bachmann und Festerling.

Für eine offene und menschenrechtsbasierte Gesellschaft gingen mit GEPIDA diesmal etwa 300 Menschen auf die Straße. Im Vorfeld fand die siebente Parade der Vielfalt mit 700 Teilnehmern statt. Die Demonstration forderte die Sächsische Landesregierung auf, die UN-Behindertenrechtskonvention mit dem im Entwurf befindlichen Aktionsplan wirkungsvoll umzusetzen.

Unangemeldet stellten sich etwa 15 Gegendemonstranten dem PEGIDA-Demonstrationszug entgegen. Angesichts der unangekündigten polizeilichen Maßnahmen gegen die Gruppe und der Anfeindungen und eines Diebstahlversuchs durch PEGIDA-Teilnehmer und Organisatoren, gehörte zu dieser friedlichen Aktion jede Menge Mut. Am Rande wurde die Presseberichterstattung wieder durch die Polizei behindert.


Politik in Zeiten des Rechtspopulismus


Der Bundestag beschloss am heutigen Freitag, dass Algerien, Tunesien und Marokko sichere Herkunftsländer sind. Es ist unklar, ob diese Länder das wissen. Beim Auswärtigen Amt ist der Beschluss offenbar noch nicht angekommen. Zitat: "Vor allem von Reisen in die algerischen Grenzgebiete zu Tunesien, Libyen, Niger, Mali, Mauretanien und zur Westsahara wird gewarnt. [...] Auch vor Reisen in die sonstigen algerischen Saharagebiete und außerhalb der Bezirke der größeren Städte im nördlichen Landesteil von Algerien, in ländliche Gebiete und Bergregionen wird gewarnt, [...]" 

Der Berliner Kreis der Unionsparteien forderte indes bereits am Donnerstag eine Verschärfung der Regierungslinie. Dem "Brandbrief" (Sächsische Zeitung) ist zu entnehmen, dass insbesondere bei den Themen Flüchtlingspolitik, Innen- und Sicherheitspolitik, Familienpolitik, "Gender-Ideologie", (liberalisiertes) Arbeitsrecht, Verhinderung von Umverteilung von oben nach unten, Anpassungen nötig seien. Der Berliner Kreis ist ein Zusammenschluss besonders rechtskonservativer Mandatsträger. Zu ihm gehören neben rechtsradikalen Persönlichkeiten wie Erika Steinbach auch drei sächsische Abgeordnete: Veronika Bellmann, MdB mit Wahlkreis Mittelsachsen, Arnold Vaatz, MdB mit Wahlkreis Dresden und der erzgebirgische Landtagsabgeordnete Steffen Flath. 

Die sächsische Union muss derweil dementieren, dass einzelne Dresdner Stadträte zur AfD wechseln werden. Gleichzeitig bleibt die Sächsische Zeitung bei entmenschlichendem Vokabular und schreibt weiter von einer "Flüchtlingswelle", als wäre es eine Naturkatastrophe, unter der Dresden immer besonders zu leiden hat. 

Enthemmung und Augen in Ämtern und Stadien verschließen


Da es keine neuen Nachrichten aus Freital gibt, springt Dresden mit absurder Haltung von Ämtern in die Bresche. Der Dresdner Morgenposst muss dagegen ein Lob ausgesprochen werden. Beim Spiel Erzgebirge Aue gegen FSV Zwickau kam es zu Ausschreitungen. Während fast alle sächsischen Zeitungen ausschließlich von "Randalen", "Fankrawallen", und ähnlichem Sprachen, berichtete die MoPo vollständiger: Den Anhängern des FSV wurden unter anderem auch Hitlergrüße und Sieg-Heil-Rufe vorgeworfen, wie aus einer Stellungnahme der Polizei zu entnehmen war.

In Rabenau wurden Scheiben einer Unterkunft für Asylbewerber beschädigt. Die jeweils äußere Scheibe der Fenster wurde von einem Gegenstand durchschlagen. Um was es sich handelte, konnte die Polizei nicht sagen, wollte Projektile jedoch ausdrücklich nicht ausschließen. Rabenau liegt südwestlich von Dresden und ist eine Nachbargemeinde von Freital.


Rechte Gewalt und Gerichtsurteile


Bei einigen Verbrechern kann man immer wieder erstaunt und erfreut sein, wie blöd sie sich anstellen. Vor sächsischen Gerichten kam es zu folgenden Urteilen: Jeweils für mehr als 2 Jahre müssen zwei Männer in Haft, weil sie im Februar Brandsätze auf ein "Asylbewerberheim" geworfen hatten. In der Unterkunft lebten 250 Menschen. Die Urteile sind nicht zur Bewährung ausgesetzt. Ein dritter Tatbeteiligter steht in einem abgetrennten Verfahren vor Gericht. Die Brandsätze hatten das Gebäude zum Teil verfehlt, andere erloschen sofort oder versagten.

Der Bad Schandauer Steffen Kunze wurde verurteilt, weil er von einer rechtsextremen Demonstration kommend, einen Polizisten anfuhr, der seine Personalien überprüfen wollte. Kunze war zu diesem Zeitpunkt noch Stadtrat für die CDU, ist aber inzwischen zurück- bzw. ausgetreten. Weil er während des Verfahrens ständig seine Aussage änderte und die Polizisten mit inzwischen eingestellten Strafanzeigen überzog, wurde er zu 8 Monaten auf Bewährung verurteilt. zudem muss er 1.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen.

In Dresden wurde ein 30-jähriger wegen Körperverletzung zu 25 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Er hatte in einem Bus zunächst dunkelhäutige Mitfahrer als "Neger" und "Hackfressen" beleidigt, dann einen Helfer als "Schwuchtel. Als der Busfahrer ihn daraufhin aus dem Bus verwies, entleerte der Täter seine Bierflasche auf den Fahrersitz und schlug dann den Busfahrer damit bewusstlos. Dieser leidet noch immer an den belastenden Folgen des Angriffs.

Von nicht direkt sächsischer Relevanz ist das Urteil gegen einen HoGeSa-Teilnehmer. Er muss für mehr als drei Jahre hinter Gitter, weil er einem Polizisten einen 6,5 Kilogramm schweren Verkehrspoller gegen den Kopf geworfen hatte.


Bürgerdialog in der Kreuzkirche und Zivilgesellschaft


Über den Bürgerdialog kann man sich dank der Berichte von Sächsischer Zeitung und DNN ein sehr gutes Bild machen. Beide Artikel ergänzen sich und sind in ihrer Absurdität schon lesenswert. Die Veranstaltung befasste sich mit den Medien und war weniger gut besucht, als die vorangegangenen Bürgerdialoge. 

Es zeigt sich einmal mehr, dass öffentliche Foren von Anhängern rechtspopulistischer Meinungen als ... öffentliche Foren missbraucht werden. Es kommt letztlich kaum zum Dialog, mehr zu Anschuldigungen über schlechte Krimis.

Eric Hattke hat zusammen mit anderen einen neuen Verein gegründet. "Atticus - Ein Verein für alle Menschen in Dresden" soll keine Protestbewegung sein, sondern verschreibt sich der Hilfe für sozial Benachteiligte, der politischen und interkulturellen Bildung und der Integration. Erik Hattke war zuvor Gründer des Vereins "Dresden für Alle" und Referent für Öffentlichkeitsarbeit des StuRa der TU Dresden. Dabei wurde er auch intern für die Vermischung dieser Rollen kritisiert. Der Schatzmeiste des Vereins, Michael Scholles sagte der Sächsischen Zeitung "[...] wir wollen ideologiefrei etwas für diese Stadt tun". Dem Verein gehört auch der Sprecher des vietnamesisch-buddhistischen Kulturzentrums Sachsen an. Seinem Konzept nach wäre der neue Verein eine Bereicherung für die Zivilgesellschaft in Dresden. Erste Aktionen und Projekte sind ab Juni geplant.

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