Donnerstag, 30. Juni 2016

Essay: Sachsen und Schottland: Wie man eine Rede gegen Rassismus hält

Von Schottland lernen, heißt siegen lernen.

Die Erste Ministerin Schottlands Nicola Sturgeon hat in der Folge des Brexit-Referendums mehrfach deutlich Stellung bezogen. In einer Regierungserklärung fand sie Worte, die um Längen deutlicher, klarer und passender sind, als jede Erklärung sächsischer Regierungsmitglieder bisher waren. Was Sachsen (und ein Großteil der BRD) von Schottland lernen können.


Nimmt man sich die Zeit und vergleicht die Regierungserklärung von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (pdf) mit der von Nicola Sturgeon fällt eines ganz besonders auf: Tillich richtet kein Wort an die Opfer und rassistischer Gewalt. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil er seine Regierungserklärung ausdrücklich zu den rassistischen Ausschreitungen, Mobs und Brandstiftungen in Clausnitz, Heidenau, Freital, Bautzen usw. abgab.

Es ist, wie es so oft in Deutschland ist: Ja, man verurteile Gewalt. Sie sei kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. Es handele sich um gewöhnliche Kriminelle. Der Rechtsstaat werde sie mit aller Härte verfolgen.

Kein Wort dagegen zu den Opfern. Zu deren Angehörigen. Zu den Menschen mit Angst. Kein: Wir lassen nicht zu, dass Bewohner dieses Landes, egal wo sie herkommen, hier zum Ziel von Gewalt werden.

Einige Flaggen des wichtigsten Schülers innerhalb Deutschlands. (Foto: Kalispera Dell)


Dagegen gibt es Lob an die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, die geflüchteten Menschen helfen. Dieses Lob ist wichtig. Aber in den Sonntagsreden inbesondere konservativer Politiker schließt sich nur allzu oft an: Diese Helfer sind der Beleg dafür dass "Wir" ganz anders sind. Rhetorisch wird der braune Mob ausgeschlossen, ignoriert, als hätte man nichts damit zu tun. Aber schlimmer ist: "Wir" erklären "denen" die zu uns gekommen sind, dass "wir" ganz nett sind, auch wenn gerade wieder ein Haus brennt. Es schließt sie auch rhetorisch gleich mit aus.

Das ist lächerlich und verhöhnt die Opfer und die Menschen in Angst.

Anders in der Rede Nicola Sturgeons, deren relevanter Ausschnitt hier noch einmal im Original, in der Übersetzung und als Video zu dokumentiert sei:

[...]
I want to reassure those from other countries who have chosen to make Scotland their home. I made a commitment to them on the morning of the result and I repeat it here. You are welcome to Scotland. This is your home. We value your contribution.
[...]
This commitment is all the more important in light of reported racist attacks in the wake of last weeks results. Let us as a Parliament unite today to make clear that Scotland is an open and welcoming country and that prejudice, hate and racism will not be tolerated, now or at any time.
In der deutschen Übersetzung:

[...]
Ich möchte all denen Mut machen, die Schottland als ihr Zuhause gewählt haben. Ich habe mich am Morgen des Ergebnisses verpflichtet und ich möchte diese hier wiederholen. Ihr seid willkommen in Schottland. Hier ist eure Heimat. Wir schätzen euren Beitrag.
[...]
Diese Verpflichtung ist umso wichtiger im Licht von Berichten über rassistische Angriffe in der Folge des Referendums. Lassen Sie uns als Parlament heute mit einer Stimme klar machen, das Schottland ein offenes und gastfreundliches Land ist, und dass Vorurteile, Hass und Rassismus nicht toleriert werden, jetzt oder sonst irgendwann.

Sturgeon sagt also auch nicht: "Sachsen ist weltoffen und tolerant.", wie das in Deutschland oft zu hören ist. Sie erkennt, dass aktives Handeln nötig ist. Sie fordert die Parlamentarier auf, klar zu machen, dass Schottland diese Qualitäten hat. Sie wischt es nicht weg und sagt, dass es so ist. Solidarisch ist am Ende der, der solidarisches tut.

Abschließend sei noch einmal daran erinnert: Nicola Sturgeons Regierungserklärung war zum Brexit-Referendum. Trotzdem reagiert sie in aller Deutlichkeit auf Berichte von rassistischen Vorfällen. Und deswegen heißt von Schottland lernen, siegen lernen.

Jetzt für alle, denen der Akzent genau so viel Freude macht, wie der Inhalt (der zitierte Teil ist zwischen 5:20 und 6:06). Link


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