Dienstag, 19. Januar 2016

Bericht/Essay: Strategiekonferenz der Dresdner Zivilgesellschaft zum Umgang mit PEGIDA - Teil 1 Dresden als "Seismisches Zentrum"

Die von Dresden Nazifrei initiierte Strategiekonferenz der Zivilgesellschaft zum Thema: PEGIDA ist seit Sonnabend vorbei. Es gibt bereits einige Zusammenfassungen (DDNF, oder in den Medien hier, hier und hier ...). WarumDresden wird sich in den nächsten Tagen gezielter mit einigen Einzelaspekten der Analyse und der Schlussfolgerungen der Konferenz auseinandersetzen.

Für die Entwicklung eines zivilen, auf politischem Diskurs beruhenden Umgangs mit PEGIDA nimmt ein immer wieder genannter Punkt wichtigen Raum ein: Die Dresdner PEGIDA-Versammlung ist das seismische Zentrum einer gesamtdeutschen, rechtspopulistischen Welle. Die Dresdner Montage sind also Kristallisationspunkt und Spitze des Eisbergs zugleich. Das heißt aber auch, dass im Umgang mit PEGIDA zum einen die Wirkung aus der Szene und die Wirkung auf die Szene berücksichtigt werden muss.



Die vielen Gesichter des Rechtsextremismus 2016


Die aktuellen rechtspopulistischen bis rechtsextremen Ereignisse in Deutschland haben ganz unterschiedliche Gesichter. Das fängt an mit Politikern von CSU bis SPD (und Sarah Wagenknecht), die offenbar das Grundgesetz nicht kennen, geht über Demagogen wie Frauke Petry und Bernd äh... Bjö... B. Höcke bis zu Attentätern, die auf Geflüchtete schießen.

Die "Front des Straßenkampfes" bilden dabei die verschiedenen Gidas und einige Massenveranstaltungen der AfD. Insgesamt bleiben deren Erfolge aber marginal und punktuell. Allein in Dresden ernten sie nur wenig Widerspruch und können das Klima und das Straßenbild in der Stadt mit prägen. Während die Rechten in der politischen Sphäre und bei den Anschlägen ganz klar den Eindruck gewinnen müssen, sie würden "gewinnen", entsteht dieses Bild auf der Straße nur bei PEGIDA-Dresden.

Es geht dabei nicht nur darum, wöchentlich große Demonstrationen auf die Beine zu stellen, die den Gegenprotest marginal erscheinen lassen. Das Klima in der Stadt wird verändert. Wie es eine Konferenzteilnehmerin ausdrückte: "Montags ist Dresden eine National Befreite Zone. [...] Montags trauen sie sich plötzlich mitten auf der Straße oder in der Straßenbahn, Menschen zu schikanieren, anzugreifen. Man fühlt sich isoliert, man weiß nicht, wer dafür ist und wer dagegen und deswegen bleibt man ruhig."

Dieses Klima der Angst und Machtlosigkeit ist direktes Ergebnis von PEGIDA. Die Abwiegelungsrhetorik der Polizei spielt dem direkt in die Hände. Zahlreiche Menschen wurden inzwischen montags Zeugen und/oder Opfer von Angriffen durch Nazihools, nur um die Pressesprecher der Polizei sagen zu hören, dass es keine Angriffe gab.


Die Wirkung der Szene auf PEGIDA


Der Verfassungsschutz sieht die Dresdner PEGIDA-Organisation nicht als "von Rechtsextremen gesteuert" an. Wenn man damit meint, dass Lutz Bachmann und Co. nicht von NPD- oder Freie-Kameradschaften-Kadern unterwandert sind, dann kann man dem zustimmen. Beschäftigt man sich jedoch mit den schärfer werdenden Äußerungen nicht nur von Tatjana Festerling, so wird klar: PEGIDA Dresden ist rechtsextrem gesteuert.

Da die Vernetzung zu herkömmlichen Nazis nicht so stark ausfällt, kann PEGIDA seine führende Rolle nur durch den Erfolg hier in Dresden aufrecht erhalten. Dies wird durch immer schärfere Rhetorik erreicht: Je schärfer der Ton bundesweit wird, desto schneller wird das PEGIDA-Organisationsteam von ihm mitgerissen. Um sich nicht zu isolieren, müssen sie ganz vorne dabei sein.

Die Wirkung von PEGIDA auf die Szene



So lange PEGIDA in Dresden Erfolg hat, also der "Kampf um die Straße" gewonnen wird, fühlen sich die Meinungsmacher stark. Hier ist "das Volk" auf der Straße, eine vermeintliche Mehrheit, die wieder für Recht und Ordnung sorgt, indem sie zu Gewalt aufruft.

Die Hooligan-Szene aus Dresden und Leipzig und die freien Kameraden aus der sächsischen Schweiz nehmen an PEGIDA teil und nutzen die Aufmärsche für gewalttätige Aktionen gegen anders Aussehende und anders Denkende. Gleichzeitig stellen sie die Ordner bei PEGIDA. Die Gewalt in Dresden und Leipzig wäre so ohne PEGIDA nicht denkbar gewesen.

Montags sieht PEGIDA tatsächlich so aus, als wären sie die Mehrheit, das "Volk". Dieser Eindruck wirkt ganz enorm als Argmumentverstärker und Rückversicherung für Demagogen, weich werdende Politiker und Gewalttäter. Sie folgen ja einer vermeintlichen "Volksmeinung", wer andere Meinungen vertritt, der handelt gegen das Volk. PEGIDA macht die Rechten in Deutschland stark und die Demokraten schwach. Besonders die, die für den Dialog "offen" sind.

Bedeutung für Gegenstrategien


In der Vergangenheit gab es viele Stimmen, die die Ausgrenzungsstrategie der Linken kritisiert haben. Silvio Lang (Sprecher von DDNF) hat auf der Strategiekonferenz eingeräumt, dass man sich fragen müsse, ob man nicht selbst geholfen habe, PEGIDA groß zu machen. Betrachtet man PEGIDA als Dresdner Phänomen, muss man diese Kritik zwangsläufig teilen. 

Erweitert man jedoch den Horizont, so wird klar, dass der bundesweite Rechtspopulismus PEGIDA radikaler macht und PEGIDA den bundesweiten Rechtspopulismus stärker macht. PEGIDA wird auch nicht aufhören sich zu radikalisieren und weiter keinem problembezogenen Dialog geegenüber offen sein, so lange diese Prozesse fortwirken.

Dementsprechend muss PEGIDA in Dresden sowohl inhaltlich, als auch auf der Straße der Raum genommen werden. Der Kampf um die Straße, also um ein bedrohungsfreies Klima in der Stadt kann nur beendet werden, wenn PEGIDAs Erfolgsstory in Dresden ein Ende findet. Erst dann kann man die "besorgten Bürger", die immer noch einen Teil der Außenwahrnehmung der Montagsspaziergänge prägen, aus der Bewegung isolieren und wieder in den gesellschaftlichen Diskurs integrieren.

Gleichzeitig nimmt man den Rechtspopulisten und Attentätern damit ihre Grundlage. Denn sie sind nicht das Volk. Sie sind auch nicht die Mehrheit. Die kurze aber wirksame Blockade von PEGIDA am Montag (#dd1801) war da hoffentlich der erste wichtige Schritt.

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