Freitag, 5. Februar 2016

Interpretation: Gedanken von Polizeipräsident Kroll zu #dd0602

Disclaimer: Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine reine Interpretation, die nicht durch Quellen gedeckt ist, sondern einzig auf Demoerfahrungen aus Dresden beruht. Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen des Präsidenten der Polizeidirektion Dresden vorgestellt und mit Blick auf den Demosamstag interpretiert. Am Ende des Textes gibt es eine kurze Zusammenfassung.



Die Erklärung von Polizeipräsident Dieter Kroll

 

Gedanken des Dresdner Polizeipräsidenten Dieter Kroll zum Polizeieinsatz anlässlich des Versammlungsgeschehens am 6. Februar 2016

Polizeipräsident Dieter Kroll:
„Die Polizei erwartet ca. 15.000 Teilnehmer bei PEGIDA und in der Summe ca. 10.000 Gegendemonstranten. PEGIDA hält eine stationäre Kundgebung am Königsufer ab, aber der Zulauf der Teilnehmer wird aus allen denkbaren Richtungen erfolgen. Der größte Teil der Gegenprotestler wird auf dem Theaterplatz/Terrassenufer zu erwarten sein. Ein angezeigter Aufzug beabsichtigt, sich vom Hauptbahnhof auf einer festgelegten Route durch die Innenstadt bis zum Alaunpark zu bewegen.

Der Frieden in der Stadt ist darauf angewiesen, dass sich die Allermeisten bewusst sind, wie fragil damit die Sicherheitslage am Samstag im Herzen der Landeshauptstadt sein wird. [...] Es wird Begegnungen und Berührungspunkte geben – in Verkehrsmitteln, auf Parkplätzen oder auf dem Weg durch die Stadt. [...]

25.000 Menschen, wenigstens zwei große Kundgebungen und eine Demonstration. Die Polizei stützt sich zudem auf Aussagen des Verfassungsschutzes, nach denen 400 zum Teil* gewaltbereite Linksautonome erwartet werden.

11 Bereitschaftspolizeihundertschaften sollen diese Veranstaltungen abdecken. Es kann angenommen werden, dass ungefähr die Hälfte davon aus anderen Bundesländern kommen und weniger flexibel eingesetzt werden können, als die ortskundige Polizei Sachsen. Insgesamt sind das etwas mehr als halb so viele Einsatzkräfte, wie zum PEGIDA-Jubiläum (#dd1910), als es bei An- und Abreise zu stundenlangen Gewaltausbrüchen kam.

Es ist also damit zu rechnen, dass zwar die angemeldeten Veranstaltungen abgesichert werden, große Teile des Stadtgebietes jedoch nicht.

*Anders als in diversen Medien von DresdenRadio bis Mopo24.de berichtet wird, werden nicht 400 Gewaltbereite erwartet. Aus einem Papier der Ordnungsbehörde, das WarumDresden einsehen konnte, geht hervor, dass nur einige der 400 Autonomen gewaltbereit sein sollen.
Das soll ein Appell an alle Demonstranten sein, sich selbst sowie das hohe Gut der Versammlungsfreiheit und unser Gemeinwesen auch vor denen zu schützen, die mit offen erklärten Gewaltabsichten anreisen. Ich meine Links- und Rechtsextremisten, die in ihren Gewaltphantasien die tausenden friedlichen Versammlungsteilnehmer „als Deckmasse“ ins Kalkül ziehen.

Die Polizei geht offenbar in der Einsatzplanung davon aus, dass sowohl an PEGIDA als auch den Gegenveranstaltungen Menschen teilnehmen, die auf Gewalt aus sind. Dieser Absatz soll vermutlich nur darüber informieren. Gleichzeitig werden die Bürger in die Pflicht genommen.

Wer Gewalt nicht will, muss der Gewalt Grenzen setzen! Im ganz wörtlichen Sinne heißt das für Samstag: Auf Distanz gehen! [...]
Jedwede Betroffenheitsrhetorik „am Tag danach“, die ohne Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung immer nur den „anderen“, auf jeden Fall aber immer der Stadt und der Polizei die Verantwortung zuweist, ist bestenfalls naiv oder zynisch. Sie ist insbesondere aber eines: selbstgerecht und unverantwortlich.

Im ersten zitierten Absatz deuten sich hier zwei Dinge an: Zum Einen sollen Bürger sich nicht als "Deckungsmasse" zur Verfügung stellen. Zum Anderen kann man hineinlesen, dass die Polizei eine sehr geringe Eingreifschwelle haben wird, um Eskalationen frühzeitig zu ersticken. Wer in einen Polizeieinsatz gerät, wird mit dieser Aufforderung ein wenig mitschuldig, falls er geschädigt wird. Er hätte ja auf Distanz gehen sollen.

Der zweite Absatz spiegelt eine zunehmende Frustration bei der Polizeidirektion Dresden wieder, die immer wieder mit Einsatzlagen konfrontiert wird, bei denen es zu Gewalt kommt. Nicht immer können die Beamten dabei vor Ort sein und Straftaten verhindern (wofür es bei angemeldeten Veranstaltungen keine Entschuldigung gibt*). Ein zu spätes oder schwaches Eingreifen musste oft mit starkem Gewalteinsatz kompensiert werden. Das ist für die Polizei auch frustrierend. Besonders, wenn im Nachhinein von allen Seiten Kritik und Schuldzuweisungen kommen, sich aber niemand konsequent von den Gewalttätern in den eigenen Reihen distanziert.**

*Besonders nicht das bei Polizeisprecher Geitner und einigen Revierchefs beliebte: Die Linken waren ja selbst Schuld/Sie haben es ja darauf angelegt.

**Bei PEGIDA scheint man da an kompletter Realitätsverweigerung zu leiden. Teilnehmer sprachen einige Gegendemonstranten, die kurz zuvor Opfer von Nazihools wurden an, um ihnen zu sagen, dass das ja die ANTIFA gewesen wäre. Oder man verweist auf das eigene Fronttransparent, wo irgendwo "gewaltfrei" drauf steht. Bei Dresden Nazifrei erklärt man sich regelmäßig solidarisch, mit allen die die eigenen Ziele teilen. Eine Eskalation gehe nicht von Dresden Nazifrei aus. Aussagen, die für die Polizei unbefriedigend sein müssen.


Das alles ist kein Spiel mit etwa nur unmaßgeblichen Folgen oder Nebenwirkungen, die davon ausgehen können. Es geht so allmählich um die Grundwerte unserer Demokratie, unseres Zusammenlebens. Der Graben, der durch die Gesellschaft geht, darf nicht noch tiefer werden!
Dafür würden wir als Polizeibeamte auch gerne selbst auf die Straße gehen! Natürlich gewaltfrei!“

So kritisch man die Einsätze der Polizeidirektion Dresden und des Ordnugnsamtes auch bewertet, sagt Kroll hier etwas sehr wahres: Gewalt führt zu Gegengewalt, führt zu Verhärtung und zum Abbruch der gesellschaftlichen Diskurse. Selbst wenn man nicht mit Neonazis an einem Tisch sitzen will, sollte man sich bewusst sein, dass eine Verhärtung nur dazu führen würde, dass einige tausend Dresdner eben auch aus dem Dialog aussteigen und nicht einfach nur verschwinden.

 tl;dr


Es wird in großen Teilen des Stadtgebietes vermutlich keinen "Raumschutz" durch die Polizei geben. Diese wird bei den Versammlungen massiv auftreten und auch schnell eingreifen. Auf den Herz-statt-Hetze und PEGIDA-Versammlungen gibt es kaum einen Grund, sich fürchten zu müssen. An-- und Abreise könnten aber kritisch sein. Bleibt in Gruppen und lasst euch nicht provozieren.

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