Montag, 7. Dezember 2015

Wortergreifung auf Bürgerversammlungen, der erste Schritt nach Heidenau

Dieser Post soll lediglich beschreiben, wie die Eskalationsdoktrin von Rechtsextremisten ganz praktisch funktioniert. Die Abläufe wurden immer wieder beobachtet. Neonazis greifen Raum, sie öffnen Räume für menschenverachtende Meinungen und erzeugen den Eindruck, dass aus einer Opferrolle heraus legitim Normen und Gesetze übertreten werden können. Passiert dies dann, wie in Heidenau, treiben sie die Eskalation voran, die jedoch größtenteils von enthemmten Einwohnern ausgeht.

Diese Verkettung beginnt fast immer mit Bürgerversammlungen zum Thema Asyl. Dabei ist egal, ob es um eine neue Einrichtung geht oder allgemein informiert werden soll. Bürgerversammlungen erfüllen zwei Funktionen für Neonazis: Sie informieren sich selbst über die Bürger vor Ort und bieten sich rechtsoffenen Anwohner als Helfer an.

Immer wieder ist das Schema das Gleiche: Die Kommune lädt ein. Neben Anwohnern erscheinen aber auch meist zwei in der Gegend unbekannte Personen. Oft versuchen sie, ihre Namen nicht auf Anwesenheitslisten anzugeben. Wenn sie doch dazu gedrängt werden, geben sie falsche Adressen an. Ihr Platz ist meist ganz vorn im Saal.

Hat die Veranstaltung dann begonnen, melden die Unbekannten sich nicht zu Wort, unterbrechen aber kritische Äußerungen zu Asylbewerbern mit lautem Klatschen. In dieser ersten Stufe, nehmen sie damit die Kontrolle bereits zu einem kleinen Teil an sich. Sie beobachten aber auch, wie viele Einwohner in den Applaus mit einfallen. Je mehr dies sind und je unwidersprochener rechtslastige und menschenverachtende Wortmeldungen bleiben, desto intensiver wird die "stumme Wortergreifung". Der nächste Schritt ist das Ausbuhen von Äußerungen offener Einwohner.

Was dann bleibt sind zutiefst verunsicherte Bürger, denn es reicht, wenn lediglich ein Teil des Saales unwidersprochen aber lautstark "kritische" Meinungen beklatscht. Der Eindruck ist, dass man selbst in der Minderheit ist und bedroht wird. Selten werden zusätzlich Flugblätter verteilt. Dabei handelt es sich um Handreichungen der Neonazipartei "3.Weg" oder inhaltsgleiche Flyer.


Was danach passiert


Im nächsten Schritt wird über traditionelle Wege oder soziale Medien zu Protesten in der entsprechenden Nachbarschaft aufgerufen. Wieder halten sich die organisierten Rechtsextremen weitestgehend im Hintergrund, ergreifen selten das Wort. Sie sind aber vor Ort, spüren der Stimmung nach, gucken wie viele Menschen dem Aufruf gefolgt sind.

Es folgen wöchentliche Aufrufe, der Ton in den Facebookgruppen wird verschärft. Wenn nicht spätestens jetzt zivilgesellschaftlicher Widerstand wach wird, kommt es zu Situationen wie in Freital, Heidenau oder in manchen Dresdner Stadtteilen.

Kommt es dagegen zu organisierten Gegenveranstaltung, Willkommensfesten und zur Bildung von Unterstützergruppen, ist die Wort- und Raumergreifung der Neonazis gescheitert. Je schneller, entschiedener und unerschrockener dieser Ablauf unterbrochen wird, am besten schon bei den Bügerversammlungen, desto schneller ist der Spuk vorbei.

2 Kommentare:

  1. Das liest sich so würden die Strategie genauso auch in die andere Richtung funktionieren wenn sich Flüchtlingsunterstützer mit spießigem Aussehen ebenfalls auf Bürgerversammlungen begeben würden.

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    1. Der Unterschied ist im allgemeinen, dass Flüchtlingsunterstützer mit spießigem Aussehen danach nicht tagelang oder wochenlang randalierend vor den Heimen auftauchen oder ebenjene anzünden.

      Aus der Beschreibung der Bürgerversammlungen mag es ähnlich scheinen, aber es gibt einen deutlichen Unterschied im Auftreten von "Unterstützern" und "Kritikern". In der Regel sammelt sich die Unterstützer"szene" dort, wo es nötig ist. Nazis erscheinen nur dort, wo sie "Rückendeckung" bekommen. Dort sorgen sie dann für eine Eskalation und Hetze, die eben keine konstruktive Auseinandersetzung mit der Politik mehr sind und auch am Problem nichts ändert. Sie treffen damit die, die sich am wenigsten gegen die aktuelle Politik wehren können.

      http://ratsinfo.dresden.de/si0040.php

      Hier noch einmal die Termine zu den Ortsbeiräten, morgen spielt sich das Spektakel vermutlich in Dresden-Plauen und Pieschen ab.

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