Dienstag, 1. Dezember 2015

Information, Interpretation: Zeitleiste der PEGIDA-Teilnehmerzahlen

Einleitung

PEGIDA ist kein einheitliches Phänomen. Die Beobachtungen reichen von den Anfängen mit einigen hundert Demonstrierenden, bis zu Veranstaltungen mit 25.000 Teilnehmern. Auch inhaltlich hat sich einiges getan: Während anfangs Redebeiträge des Orgateams und am offenen Mikrofon eher unprofessionell wirkten, kam es auch zu Reden von populären und professionellen Politikern, wie Geert Wilders. Auch gelingt die Gratwanderung am Rande freier Meinungsäußerung nicht immer. Über alles soll hier ein kurzer Überblick gegeben werden.

Entwicklung der Teilnehmerzahlen bei PEGIDA

Die Gruppe Durchgezählt veröffentlicht seit April 2015 verlässliche Teilnehmerzahlen der PEGIDA-Demonstrationen. Außerdem haben sie diese Grafik zur Verfügung gestellt:




Diese Daten sprechen für sich. Es gingen auch nicht immer die gleichen Personen zu PEGIDA. Bevor zu einer eigenen Einschätzung übergegangen wird, sollte man sich kurz noch ein Bild über die Art der Redebeiträge machen.

Entwicklung der Beiträge


Redebeiträge von PEGIDA-Kundgebungen können sehr einfach im Netz recherchiert werden, spätestens ab dem Frühjahr 2015 gibt es von jeder Veranstaltung einen youtube-Clip.

Während im Jahr 2014 noch weitestgehend amateurhafte Reden besorgter Bürger gehalten wurden, professionalisierte sich der Sprachgebrauch bis April 2015 deutlich. Bis hier wurde offenbar die Möglichkeit gesucht, an den Mehrheitsdiskurs anzudocken, für andere gesellschaftliche Akteure ansprechbar zu bleiben.*

Erst mit der Aufstellung von Tatjana Festerling als OB-Kandidatin für Dresden verschärfte sich der Ton. Dieser Trend setzt sich immer weiter fort: Einige der Vokabeln sind: "Neger", "Kinderficker", Massenvernichtungswaffe Islam", "Völkermord am deutschen Volk".

Auch die Haltung gegenüber gesellschaftlichen Akteuren wird endgültig frontartig verhärtet: So berichtete Tatjana Festerling am 25.5. von der Bühne, die Medien seien alle SPD-gesteuert, es gäbe keinen Chefredakteur, der dort ohne Zustimmung der SPD säße. Diese Konstruktion von Verschwörungen entbindet die eigene Seite von konstruktiver Zusammenarbeit.

Einschätzung des Klientels


Bereits bei der zweiten PEGIDA-Versammlung soll es einen deutlich erkennbaren Teilnehmerkreis aus der rechten Szene gegeben haben (Link, youtube-mdr). Es kommt im Dezember zu Drohungen und Angriffen auf Menschen mit anderen Meinungen oder Migrationshintergrund (Sächsische Zeitung, MDR, taz - die tageszeitung, Links aufgrund Leistungsschutzrecht nicht). 

Hans Vorländer gibt im Januar 2015 im deutschlandradio kultur ein Interview, in dem er aus Studien zitiert, die einem Drittel der Teilnehmer islamophobe und/oder xenophobe Einstellungen zuschreiben.

Es kommt bis März 2015 immer wieder zum Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen (Hitlergrüße und entsprechende Äußerungen) durch Teilnehmer. Dass auch "Deutschland den Deutschen" gerufen wird, wurde am 02. März von der Polizei dokumentiert. Am gleichen Tag kam es zum Angriff von 150 mutmaßlich ehemaligen PEGIDA Teilnehmern auf ein Protestcamp (Tagesspiegel).

Am 25.05. wird Werner Patzelt in der Dresdner Morgenpost zitiert: Demnach sind PEGIDA-Demonstranten zu 75% "demokratieunzufrieden" und zwei Drittel sind der Meinung, auch friedliche Moslems sollten nicht nach Deutschland einwandern dürfen.

Zu diesem Zeitpunkt kommen nur noch etwa 2-3.000 Teilnehmer regelmäßig zu PEGIDA. Selbst wenn man Werner Patzelt glaubt, der sagt, PEGIDA sei anfangs tatsächlich eine Bewegungbesorgter Bürger gewesen, die sich politischen Einbringen wollten, so kann spätestens jetzt von einer geschlossenen, mindestens rechtsradikalen Gruppe ausgegangen werden.

Es bleibt schleierhaft und eine Dresdener Besonderheit, dass sich ab August und trotz der radikalen Rhetorik und Anhängerschaft wieder immer mehr "normale" Bürger PEGIDA anschließen. ein Grund findet sich sicher in der Fluchtproblematik, die immer drängender wurde. So genannte "asylkritische" Veranstaltungen gewinnen nun deutschlandweit Zulauf.

Insgesamt ergeben sich bisher drei Phasen von PEGIDA:

  • Die erste Phase dauert etwa bis Ende Januar 2015. Danach brechen die Teilnehmerzahlen ein, es kommt zu den bekannten Bachmann-Hitler-Selfies. Auf Sparflamme läuft diese Phase noch bis April.
  • Die zweite Phase beginnt nach der Großveranstaltung mit Geert Wilders. PEGIDA wird kleiner und radikaler.
  • Die dritte Phase dauert seit August an. PEGIDA erhält wieder mehr Zulauf. Gleichzeitig ist es kein hinderungsgrund für lediglich konservative Bürger kein Hinderungsgrund mehr, dass offen rechtsradikal gehetzt wird, dass es zu Angriffen wie in Heidenau kommt. Die Teilnehmerzahlen stabilisieren sich bei etwa 8.000 Teilnehmern.


Es muss noch einmal erwähnt werden, dass es von Anfang im Umfeld von PEGIDA-Demonstrationen zu Angriffen auf Menschen kommt. Es gibt also keine "harmlosere" Phase von PEGIDA. eine Unterscheidung erscheint dennoch sinnvoll, wenn man die jetzige Zusammensetzung verstehen will, die sich aus einem harten Kern von etwa 2.000 mindestens Rechtsradikalismus-affinen Personen entwickelt hat.

2 Kommentare:

  1. I.A.N.A.L aber ich denke, das Leistungsschutzrecht schützt nur den Wortlaut eines Presseartikels. Reine Links ohne Snippets sind kein Problem und damit auch nicht wirklich ein Grund für Nicht-Verlinkung.

    Außer natürlich ihr seht das streng ideologisch und wollt damit die Verlage für das LSR bestrafen. Dann verstehe ich nicht die fehlenden Links auf MDR und taz.

    Ansonsten schön informativer Artikel. So wie eigentlich alle Artikel hier. :)

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  2. Wir halten es da erstmal wie einige andere primär journalistische Blogformate. Das heißt wir verlinken nur auf Beiträge, die älter sind als ein Jahr. Von dieser Baseline wird abgewichen, wenn die Lektüre längerer Textstellen zwingend nötig ist.

    SpON, heise.de und einige andere verzichten ausdrücklich auf die Durchsetzung ihrer Rechte gemäß Urheberschutzgesetz. Die öffentlich-rechtlichen Sender tun dies nicht. Bei Sächsischen Medien und diesem erfahrungsgemäß schnell hochkochenden Thema, geben wir uns erstmal zurückhaltend.

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